Mittlerweile ist Training allein nicht mehr ausreichend. Nein, es muss auch funktional sein! Klingt, als wäre das eine völlig neue Erkenntnis. Functional Training hier, Functional Training da.
Was es da nicht alles für interessante Übungen gibt. Der eine macht Kniebeugen auf einem Bosu, der andere Sogar Bizeps-Curls. Trainer lassen Basketballwürfe mit Medizinbällen ausführen um die Wurfkraft zu verbessern. Revolutionär oder? Nicht so wirklich wenn ihr uns fragt…
Heutzutage schmeißen Fitness-Gurus mit dem Begriff Functional Training um sich, als wäre das Training neu erfunden worden. Auch wenn der Trend seinen Höhepunkt womöglich schon hinter sich hat, sind die Nachwirkungen immer noch spürbar. Doch was bedeutet eigentlich Functional Training? Wann wird eine gewöhnliches Training funktional?
Funktional zu trainieren bedeutet, dass man das im Training Erlernte in einer anderen Situation vorteilhaft anwenden kann, beziehungsweise das Erlernte auf andere Situationen übertragen kann.
Die Situationen können spezifische Sportarten wie Football, Tennis, Boxen etc. sein, für die Mehrheit ist es jedoch der Alltag. Auf welche Situation eine Kniebeuge auf dem Boss oder noch besser ein Bizeps Curl mich vorzubereiten vermag, bleibt rätselhaft. Zu glauben, dass sich die Stabilität auf festem Untergrund verbessert, wenn man sie auf Wackeligen trainiert, ist ein Trugschluss. Wer Kniebeugen auf einem Bosu trainiert, trainiert nur eines, nämlich Kniebeugen auf einem Boss. So einfach ist das. Wenn wenn jemand unglaublich gut darin werden möchte, soll er dies gerne weiterhin tun, andernfalls gibt es wesentlich sinnvolleres, was man mit seiner Zeit im Studio anfangen könnte.
Wenn es unser Ziel ist fit zu werden oder zu bleiben, bezogen auf das, womit wir im Alltag konfrontiert werden, sollten wir uns zunächst die Frage stellen, welche Bewegungen für uns Menschen am natürlichsten sind. Der einfachste Weg, dies zu verstehen ist es, kleine Kinder zu beobachten. Sie haben noch keinen jahrelangen Sitzmarathon hinter sich. Sie bewegen sich von Natur aus gerne und viel, nicht wie der bequeme Erwachsene heutzutage, der sein Soll mit ein paar Trainingseinheiten in der Woche erfüllt hat.
Kinder spielen eine gefühlte Ewigkeit in der tiefen Kniebeuge, heben Gegenstände mit geradem Rücken vom Boden auf, belasten bei Bewegungen instinktiv die Hüfte statt der Wirbelsäule, greifen mit stabilem Rumpf nach oben um an etwas zu kommen, das auf dem zu hohen Tisch steht, ziehen und drückenaus purer Langeweile, aus Neugier, oder sonstigen Gründen Gegenstände von Ort und Stelle. Eines steht fest, was für Kinder normale, unproblematische Bewegungsabläufe sind, ist für die meisten von uns schon eine motorische und koordinative Höchstleistung, auch wenn viele sich dessen nich bewusst sind.
Die meisten Erwachsenen müssen die Bewegungen, die für uns alle einst normal waren erst wieder erlernen. Somit sind die Grundübungen, also Kniebeugen, Kreuzheben, Military Press und Klimmzüge kombiniert mit Mobilisationsübungen unser bestes Werkzeug um dies zu bewerkstelligen.
Die Grundübungen helfen uns korrekte Bewegungsabläufe zu erlernen und trainieren unsere Muskeln in ihrer Funktion so, wie sie auch im Alltag zum Einsatz kommen. Manch einer wird jetzt argumentieren „Ich glaube nicht, dass die Menschen in der Steinzeit mit Hanteln trainiert haben“. Wohl wahr. Doch haben die Menschen in der Steinzeit auch nicht auf Stühlen gesessen, oder sind mit einem Fahrstuhl gefahren, statt einen Berg hochzulaufen. Ebenso wenig haben sie ihr Essen im Supermarkt gekauft oder es sich liefern lassen. Kurz gesagt, andere Umstände verlangen andere Maßnahmen.
Wir sollten versuchen im Training wieder herzustellen, was uns vom Alltag unserer modernen Gesellschaft genommen wurde. Das ist wohl die sinnvollste Definition von Functional Training.
Alle Grundübungen sind ganz natürliche Bewegungen, auch wenn dies auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint. Etwas vom Boden aufzuheben (Kreuzheben) scheint natürlicher als eine Kniebeuge mit Gewicht. Doch eine Kniebeuge für sich genommen ist ebenso natürlich, das Gewicht dient nur dazu einen sogenannten überschwelligen Reiz zu setzen, um eine Anpassung der Muskulatur, der Faszien und des Skeletts zu bewirken. Krafttraining sorgt für einen gesünderen und stabileren Körper.
Das heißt nicht, dass wir Sportarten wie Joggen, Fußballspielen, Tennis und ähnliches nicht brauchen. Im Gegenteil. So gut wie jeder Sport, in Maßen betrieben, tut dem Körper gut. Doch aus keinem Sport kann man so viel Profit für den Alltag und auch andere Sportarten ziehen, wie aus dem Kraftsport.
Wenn es um Leistungssportler geht, ergibt es wenig Sinn, die sportspezifischen Bewegungsabläufe im Functional Training nachahmen zu wollen. Diese werden am Besten im Training der jeweiligen Sportart geübt. Krafttraining als Ergänzung kann jedoch für mehr Kraft, Stabilität und eine verbesserte intermuskuläre Koordination sinnvoll eingesetzt werden.
Fazit: Korrekt ausgeführtes Krafttraining ist in den meisten Fällen das beste Functional Training.